Soll man Heiligabend Scheiße schreien? Gedanken zur heuchlerischen Verlogenheit westlicher Politik.
24. Oktober 2012: Offener Brief an den Wittenberger Oberbürgermeister Eckhard Naumann und seine Brüder im Geiste.
Der Rat der Lutherstadt Wittenberg Stadt hielt es für klug, die russische Punkrockband Pussy Riot für den Lutherpreis "Das unerschrockene Wort" zu nominieren. Zunächst sei gesagt, es fällt ins Auge, unsere Politiker und Medien engagieren sich recht einseitig allein bei unseren Weltmarktkonkurrenten Rußland und China, wenn es um Demokratie und Menschenrechte geht. Was wäre, wenn solche „Damen“ in Mekka an der Kaaba für Frauenrechte oder in Jerusalem an der Klagemauer für die Rechte der Palästinenser den Singsang „Heilige Scheiße, Scheiße, Gottes Scheiße…“ veranstaltet hätten? Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszudenken, wie das ausgegangen wäre. Und mit Sicherheit hätte die Stadt Wittenberg sie dann nicht zum Lutherpreis vorgeschlagen.
Auf welch große und bedeutende Persönlichkeiten konnte man sich noch im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion berufen, wenn man an Andrei Sacharow oder Alexander Solschenizyn denkt. Das waren Männer, die auch im eigenen Land beim Volk Sympathie und Anerkennung besaßen. Es ist bemerkenswert, welch seltsamer Gestalten sich derzeit der Westen bedienen muß, um sie im Medienkrieg gegen die Konkurrenzstaaten an die Front zu werfen. Da gibt es einen Chinesen, hier als Künstler bezeichnet, zu dessen „Werken“ eine rund 4000 Jahre alte originale neolithische Urne gehört, auf die er das Logo von Coca-Cola gepinselt hat. Und da gibt es vor allem eine Gruppe russischer junger Frauen, die sich den englischen Namen Pussy Riot zugelegt hat, den man am besten in gutes Deutsch mit „Krawall-Mösen“ übersetzt. Denn deren „Kunst“ besteht offensichtlich darin, jegliche Schranken von Sitte und Anstand zu verletzen, um so dem russischen Volk die Segnungen westlicher Dekadenz nahe zu bringen. Da wird schon mal im Moskauer Naturkundemuseum vor laufender Kamera ein Rudelbumsen organisiert, was unter der Teilnahme einer Hochschwangeren vielleicht den Genius Loci herausfordern sollte. Da stopft man sich, ebenfalls vor laufender Kamera, auch mal die Auslagen der Geflügelabteilung eines Supermarktes in die Scheide. Ich weiß nicht, ob der Wittenberger Stadtrat diese Bilder im Internet anregend fand – ich finde sie einfach eklig.
Nun würde ich auch gern mal den Lutherpreis "Das unerschrockene Wort" bekommen wollen und überlegte mir, mit einigen Freunden zusammen am Heiligen Abend beim Gottesdienst in Wittenberg „Heilige Scheiße, Scheiße, Gottes Scheiße“ zu schreien, um so gegen die seltsame Moral des Wittenberger Stadtrates zu protestieren. Doch ich glaube, das haben die Wittenberger Kirchengemeinden nicht verdient. Ob die Stadt solch einen Rat verdient hat, das sollte die Bürgerschaft bei der nächsten Wahl bedenken.
Der Text wurde von der MAZ nicht veröffentlicht.